NRW reduziert Hemmnisse bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen
Weniger Schriftformerfordernisse, Digital First und Experimentierklausel
Ende Januar hat das Land NRW ein Gesetz zur Stärkung der medienbruchfreien Digitalisierung beschlossen und in einer Pressemitteilung darüber berichtet. „Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen können künftig eine Vielzahl von Verwaltungsleistungen bequem online beantragen. Ein persönliches Erscheinen oder das eigenhändige Unterschreiben von Formularen ist dann nicht mehr erforderlich,“ heißt es da. Der wichtigste Effekt dieses Gesetzes ist, dass die „Schriftformerfordernis“, also der Zwang für Bürger:innen, einen Antrag zu unterschreiben, dadurch an vielen Stellen wegfällt.
Michaela Lehnert, Bereichsleiterin Digitalisierung und Innovation im Kommunalen Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe (krz) erläutert Hintergründe und Auswirkungen des Gesetzes:
QES (qualifizierte e-Signatur), absenderbestätigte De-Mail und eID sind elektronischen Formen eines gleichwertigen Ersatzes für die "klassische" Schriftform. Sie haben sich allerdings bisher weder bei Behörden noch Bürgerschaft in größerem Maße durchgesetzt.
Mit Inkrafttreten des E-Government-Gesetzes NRW (EGovG NRW) wurde eine Evaluation nach einem Zeitraum von 2,5 Jahren festgelegt. Diese geht über bestehende Schriftformerfordernissen hinaus und betrachtet auch die Nutzung weiterer, alternativer elektronischer Verfahrensweisen, die auf größere Akzeptanz bei Behörden und Bürger:innen stoßen können.
Dieses Normenscreening resultiert nun im neuen Gesetz zur Stärkung der medienbruchfreien Digitalisierung. Es werden in Form eines Artikelgesetzes mit 97 Artikeln die Ergebnisse der Überprüfung von Schriftformerfordernissen umgesetzt, die nunmehr in zahlreichen Fachgesetzen und -verordnungen abgebaut werden.
Hierzu wird eine Vielzahl von Regelungen in Fachgesetzen und Verordnungen geändert und neben schriftlicher auch elektronische Kommunikation ermöglicht. Außerdem wird nun auch an zentraler Stelle im Verwaltungsverfahrensgesetz betont, dass ein digitales Angebot grundsätzlich zu bevorzugen ist. „Digital first“ ist die Devise.
Elektronisch vs elektronische Form
Der Schwerpunkt der Änderungen liegt im Abbau von Medienbrüchen bei der Kommunikation zwischen Bürger:innen und Unternehmen mit der Verwaltung. Dies erleichtert die Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen auf elektronischem Wege und gestaltet die Handhabung attraktiver. „Elektronisch“ bedeutet dabei, dass die Übermittlung auf jede technisch mögliche Weise erfolgen kann. Eine Signatur, ein bestimmter sicherer Übermittlungsweg oder ein sonstiges Schriftformäquivalent sind nicht erforderlich.
Im Gegensatz dazu müssen bekannte Schriftformäquivalente beim Begriff „Elektronische Form“ genutzt werden.
Bekanntgabe von Verwaltungsakten mit Bekanntgabefiktion
Die Regelung zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten in Postfächer von Servicekonten nach OZG inkl. Bekanntgabefiktion wird in Landesrecht übernommen.
Klarstellung gewillkürte Schriftform
Zudem wird klargestellt, dass nicht allein das Vorliegen eines Unterschriftsfeldes in einem Formular ein Schriftformerfordernis belegt (gewillkürte Schriftform)
Experimentierklausel
Zwar wurde kurzfristig im April 2020 die Vorschrift des § 25a EGovG NRW eingeführt, die es Behörden in Pandemiezeiten ermöglichte, landesrechtliche Formvorschriften flexibler auszuüben. Diese Vorschrift ist allerdings zum Jahresende 2020 außer Kraft getreten. Die Möglichkeit, flexiblere und vor allem digitale Formen der Aufgabenerledigung auszuprobieren, soll aber bestehen bleiben, so dass eine Experimentierklausel in das EGovG NRW eingeführt wurde. Es besteht die Möglichkeit für einen befristeten Zeitraum zur Erprobung digitaler Formen der Aufgabenerledigung in der Verwaltung und zur Fortentwicklung des E-Governments Ausnahmen von Zuständigkeits- und Formvorschriften zuzulassen.
Eine übergreifende Evaluation weiterer verzichtbarer Formvorschriften ist in § 25 EGovG NRW zum 1. Juli 2024 vorgesehen.